Startseite

Die stärkste Feste des Mittelalters

Bibliographie

Als Konstantin der Große sich entschließt, die Hauptstadt des Imperium Romanum nach dem Osten zu verlegen, wo seine Wahl schließlich auf das kleine Byzantion fällt, kann man seinen außerordentlichen Scharfsinn nicht verkennen. Die Stadt hat eine einmalige strategische und wirtschaftlich günstige Lage. Sie ist von drei Seiten vom Wasser umgeben: vom Goldenen Horn im Norden, vom Bosporos im Osten und von der Propontis im Süden. Somit braucht sie eine Befestigung nur im Westen und kann gleichzeitig den gesamten Ost - West - Handel kontrollieren.

Tafel von Jacques Person, aus Ranuccio Bianchi Bandinelli: "Roma. La fine
dell'arte antica", 1. ital. Ausgabe, Mailand 1970.

Im Jahre 324 wird mit der Vergrößerung Byzantions begonnen und schon am 11. Mai 330 wird sie mit dem Namen Constantinopolis (Stadt des Konstantin) eingeweiht. Sie erhält 328 eine Mauer - von der heute keine Spur mehr vorhanden ist -, aber da sich die Stadt sehr schnell vergrößert und dies nur nach dem Westen tun kann, wird bald eine neue Landmauer zum Schutz gegen die Barbaren nötig.

Diese neue Mauer wird - 1,5 km westlich der alten Konstantins-Mauer - nach neunjähriger Bauzeit unter Kaiser Kaiser Theodosius II (408 - 450) im Jahre 413 vollendet, weshalb sie auch als Theodosianische Landmauer bezeichnet wird. Die Bauaufsicht des Mauerprojekts hat der prefectus praetorio per Orientem Anthemios.

Ob die Stadt von Anfang an auch eine Seemauer erhält und somit rundherum geschlossen ist, ist nicht ganz sicher. Einige Forscher wie Gilbert Dagron nehmen auf Grund verschiedener Quellen - darunter das Chronikon Paschale - an, daß bereits seit der Zeit Konstantins eine Seemauer an der Propontis bestanden hat, während im Norden am Goldenen Horn bis zur Regierungszeit von Kaisers Herakleios (610 - 641) keine solche Festung besteht.

Die Theodosianische Landmauer beginnt im Süden am Marmarameer und verläuft in Richtung Norden zum Goldenen Horn mit einer Länge von etwa 6 km. Sie besteht aus einem dreifach gestaffelten System, nämlich der Hauptmauer, der Vormauer und dem Graben. Zusammen ist dieser Wall etwa 60 m breit.

Allgemeine Maueransicht, aus Fritz Krischen: "Die Landmauer von Konstantinopel",
Teil 1, Berlin 1938.

Der Graben ist etwa 20 m breit, 7 - 8 m tief und kann in einzelnen Abschnitten, welche durch Schotte gegliedert sind, mit Wasser gefüllt werden. Möglicherweise ist er nicht von Anfang an gemauert. Hinter ihm befindet sich die niedrigere Grabenmauer bzw. Brustwehr.

Gemauertes Schott im Graben beim Goldenen Tor. Zustand 1996.
Foto: Gabriele Pasch.

Hinter dieser Brustwehr wiederum befindet sich auf einem leicht erhöhtem Niveau ein Laufgang von 13 - 17 m Breite, an dessen Ende sich die Vormauer in einer Höhe von 8 Metern erhebt. Ihr Durchmesser beträgt 3,20 Meter. Jedoch ist sie nicht massiv, denn in ihr befinden sich Kasematten zum Abstellen von Geschützen. Sie ist im Abstand von 50 - 100 Metern mit Türmen versehen.

Hinter der Vormauer liegt auf einem deutlich höheren Niveau - welches durch die Aufschüttung des Grabensandes erreicht wird - ebenfalls zunächst ein Umgang, der etwa 13 - 20 m breit ist und auf dem für den Feind nicht sichtbare Truppenverschiebungen stattfinden können. Dahinter erhebt sich die Hauptmauer in einer Höhe von 12 Metern und einer Dicke von 5 Metern. Die Hauptmauer ist wie die Vormauer in bestimmten Abständen mit großen Türmen versehen, welche so angeordnet sind, daß sie die Zwischenräume der Vormauertürme decken.

Die Anzahl der Türme der Hauptmauer wird allgemein mit 96 angegeben, von denen aber einige nicht dem ursprünglichen theodosianischen Konzept zuzurechnen sind, sondern später wahrscheinlich als Scheintürme hinzugefügt werden, wie die neuere Forschung ergeben hat. Die Türme haben eine ungefähre Grundfläche von 11 x 10 m und einen hohen Sockel von 9 - 13 m. Das darüberliegende Stockwerk dient zur Waffenlagerung; oben befindet sich eine mit Zinnen versehene Plattform zum Aufstellen von Geschützen. Die Höhe der Türme beträgt 20 m, wobei ihre Form ohne jeden strategischen Grund rechteckig, rund oder achteckig sein kann. Auch der Abstand der Türme zueinander - und somit die Kurtinen-Länge - variiert sehr stark.

Türme der Hauptmauer im südlichen Mauerteil. Zustand 1991.
Foto: Gabriele Pasch.

In der Theodosianischen Mauer befinden sich mehrere monumentale Ausfallpforten mit zwei Tortürmen, denen allen in der Vormauer ein kleineres Vortor mit zwei niedrigeren Tortürmen entspricht. Die Wichtigsten dieser Tore sind, von Süden nach Norden: das Goldene Tor oder Porta Aurea, das Xylokerkos-Tor, das Pege-Tor, das Kalagros-Tor zwischen dem 39. und 40. Turm, das Rhesion - bzw. Myriandrion - oder Polyandrion-Tor, das erst in jüngerer Zeit von Neslihan Asutay wiederentdeckte Romanos-Tor zwischen dem 59. und 60. Turm, das Pempton-Tor, das Charisios-Tor und das Johannes-Tor.

Ausfallpforte. Aus Fritz Krischen.

Das auf einer Anhöhe im Süden gelegene Goldene Tor, welches seinen Namen laut Johannes Malalas (um 490 - nach 570) den vergoldeten Torflügeln verdankt, ist das Prächtigste unter den Toren. Es stellt den Endpunkt der Via Egnatia dar, welche von Rom ausgehend den gesamten Balkan durchquert, und versetzt den heran nahenden Betrachter schon von weitem durch sein imposantes Aussehen in Erstaunen.

Goldenes Tor. Aus Fritz Krischen.

Das Goldene Tor hat eine Breite von 66 Metern und eine Höhe von 20 Metern. Es weicht in seinem Aussehen von den übrigen Stadttoren nicht nur wegen seiner imposanten Größe ab, sondern auch wegen seiner weißen Marmorverkleidung ab und weil es das einzige Stadttor mit drei Durchgängen ist, von denen der mittlere dem Kaiser vorbehalten ist, wenn er im Triumpfzug heimkehrt. Das Dach des Goldenen Tores wird in der Mitte von einer Elephanten-Quadriga bekrönt.

Goldenes Tor im Zustand von 1996.
Foto: Gabriele Pasch.

Wie sein ursprüngliches Vortor ausgesehen hat, ist noch unklar. Das jetzt noch sichtbare, fast vollsdtändig aus Spolien bestehende Vortor stammt wahrscheinlich erst aus dem 9. Jahrhundert.

Ob das Goldene Tor zusammen mit der Theodosianischen Landmauer entstanden ist oder bereits früher als Triumphtor unter Theodosius I (379 - 394) entstanden ist, bleibt noch fraglich. Neslihan Asutay nimmt an, daß sich an seiner Stelle zunächst ein anderes Stadttor befindet, was im Jahre 425 abgerissen und durch das existierende monumentale Tor ersetzt wird.

Zur Frage, ob Vormauer und Hauptmauer zusammen errichtet werden, erkennen bereits Mayer-Plath und Schneider richtigerweise, daß die ganze Anlage zu sinnvoll ist, um dementspechend nicht zusammen oder kurz hintereinander errichtet worden zu sein, und zwar vor dem Jahr 425. Bisweilen wird auch die Meinung vertreten, daß die Vormauer erst im Jahre 447 errichtet wird, was aber nicht zutrifft. Bei den in diesem Jahr erfolgenden Bauarbeiten handelt es sich lediglich um Reparaturen an der gesamten Mauer, welche nach dem schweren Erdbeben von 447 stark beschädigt wurden.

Die Theodosianische Landmauer zeigt sich heute nicht an allen Stellen so, wie sie ursprünglich errichtet war. Z. B. ist der nördliche Verlauf der Landmauer bis zum Goldenen Horn ursprünglich ein ganz anderer als der, den man heute ab dem Tekfur Sarayı-Palast (13.-14. Jh.) beobachten kann, von wo ab sich die Mauer deutlich nach Nord-Westen vorwölbt.

Tekfur Sarayı-Palast im Zustand von 1996.
Foto: Gabriele Pasch

Man nimmt an, daß die Landmauer im Norden an eine ältere, noch in Resten vorhandene Befestigungsmauer angeschlossern wird. Möglicherweise unter Kaiser Herakleios wird eine weitere Mauer errichtet, welche noch weiter nordwestlich verläuft und so gleichzeitig das alte Dorf Blachernai mit seinem berühmten Muttergottesheiligtum mit einschließt.

Dieser Blachernen-Mauer-Abschnitt, dessen südlicher Verlauf mit 13 halbrunden Türmen als Komnenen-Mauer bezeichnet wird - nach ihrem Erbauer Kaiser Manuel I Komnenos (1143 - 1180) -, zeigt eine ganz andere Bauweise mit unterschiedlichen Mauer - und Turmtypen. Der Abschnitt hat außerdem keinen Graben.

Komnenen-Mauer im Zustand von 1991.
Foto: Gabriele Pasch.

Die Mauertechnik der Landmauer von Konstantinopel ist sehr typisch: sie besteht aus einer Schalenkonstruktion, d. h. die Außenseiten aus Kalkstein dienen zur Aufnahme eines regellos eingebrachten Füllwerks. Diese Außenseiten werden dann in einem gewissen Abstand durch horizontale Ziegellagen kastenartig miteinander verbunden, wobei ein lebhafter optischer Eindruck entsteht.

Die Instandhaltung der Landmauern hat für den Kaiser oberste Priorität - schon wegen der vielen Erdbeben, welche Konstantinopel regelmäßig heimsuchen -, wofür ein Drittel der jährlichen Grundsteuer verwendet wird. Aber auch alle Bürger sind ohne Ausnahme per Gesetz dazu verpflichtet, zum Erhalt der Maueranlage beizutragen, entweder durch Geldspenden oder als Arbeitskraft.

Die Landmauer von Konstantinopel ist mit keiner anderen Festungsanlage des europäischen Mittelalters vergleichbar. In allen anderen derartigen Anlagen - z. B. in der Aurelianischen Mauer in Rom - findet man niemals drei Niveaus, die Vormauer fehlt gänzlich und ein kleiner Graben kommt nur in seltenen Fällen vor.

Sehr viele Völker belagern diesen Wall in über tausend Jahren, nach den Avaren und vor allem den Arabern auch die Bulgaren, Russen, Normannen. Jedoch können erst die Türken sie - nach zwei erfolglosen Belagerungen in den Jahren 1396 und 1422 - im Jahr 1453 mit größter Mühe und nach siebenwöchiger Belagerung überwinden, obwohl Konstantinopel zu diesem Zeitpunkt fast entvölkert ist und somit die Mauer nur ungenügend verteidigt werden kann.

Den Landmauern Konstantinopels kommt eine weltgeschichtliche Bedeutung zu. "Man male sich einmal aus, dieser Damm hätte im 7., 8. Jahrhundert dem mächtigen Ansturm des Arabertums nicht widerstanden... wer weiß, ob Karl Martell dann siegreich geblieben und Europa nicht eine Provinz des Kalifats geworden wäre." (Fritz Krischen)

Bibliographie

A. van Millingen:
"Byzantine Constantinople, the Walls of the City and the adjoining historical sites", London 1899.

Theodor Preger:
"Studien zur Topographie Konstantinopels. I. Das Tor Polýandros oder Myríandros", in BZ 14 (1905), S. 278 - 300.

Bernard Granville Baker:
"The Walls of Constantinople", London 1910.

Theodor Preger:
"Studien zur Topographie Konstantinopels. III. Die Konstantinsmauer", in BZ 19 (1910) S. 450 - 461.

Edmund Weigand:
"Neue Untersuchungen über das Goldene Tor in Konstantinopel", in JDL 39 (1914), S. 1 - 64.

Hans Lietzmann:
"Die Landmauer von Konstantinopel", Berlin 1924.

Fritz Krischen:
"Die Landmauer von Konstantinopel", Teil I, Berlin 1938.

Alfons Maria Schneider:
"Die Pyli tou Kalágrou", in BZ 38 (1938), S. 408.

B. Meyer Plath und A. M. Schneider:
"Die Landmauer von Konstantinopel", Teil II, Berlin 1943.

O. Davies:
"The Date of the Golden Gate at Istanbul", in JRS 34 (1944), S. 74 - 75.

Alfons Maria Schneider:
"Mauern und Tore am Goldenen Horn zu Konstantinopel", in NACHRICHTEN DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN GÖTTINGEN, Phil. Hist. Klasse 1950, S. 65 - 197.

Philip Schweinfurth:
"Le mur terrestre de l'ancienne Constantinople et sa Porte doreé", in BELLETEN 16 (1952), S. 268 - 271.

Venance Grumel:
"La défense maritime de Constantinople du coté de la Corne d'Dor et le siège des Avars", BYZANTINOSLAVICA 25 (1964), S. 217 - 233.

P. Speck:
"Der Mauerbau in 60 Tagen" in H. G. Beck (Hg.) STUDIEN ZUR FRÜHGESCHICHTE KONSTANTINOPELS, Miscellanea Byzantina Monacensia 14, München 1973, S. 135 - 178.

Mortimer Wheeler:
"The Golden Gate of Constantinople. When and Wherefore?", in ARCHAEOLOGY IN THE LEVANT. Essays. for Kathleen Kenyon, ed. by Roer Moory and Peter Parr, Warminster 1978, S. 238 - 241.

Byron Tsangadas:
"The Fortification and Defense of Constantinople", Columbia University Press 1980.

Clive Foss:
"Anomalous Imperial Inscriptions of the Walls of Constantinople", in STUDIES PRESENTED TO STERLING DOW (Greek, Roman and Byzantine Monograph 10), Durham, N. C., 1984.

Clive Foss, David Winfield:
"Byzantine Fortifications: An Introduction", Pretoria 1986.

James G. Crow:
"The Long Walls of Thrace" in CONSTANTINOPLE AND ITS HINTERLAND, Oxford 1993, S. 109 - 124.

Wolfgang Lebek:
"Die Landmauer von Konstantinopel und ein neues Bauepigramm", in EA 25 (1995), S. 107 - 154.

Jonathan Bardill:
"The Golden Gate of Constantinople: A Triumphal Arch of Theodosius I", in AJA 103 (1999), S. S. 671 -696.

Ahmet Ersen:
"Physical Evidence revealed during the Cleaning and the Excavations of the Outer Wall of the Land Walls of Constantinople at the Porta Romanus", in BMGS 32 (1999), S. 102 - 115.

Neslihan Asytay:
"Die Entdeckung des Romanos-Tors an den Landmauern von Konstantinopel", in BZ 96 (2003), S. 1 - 4.

Stephen Turnbull:
"The Walls of Constantinople AD 324 - 1453", Osprey Publishing 2004.

Neslihan Asutay-Effenberger:
"Die Landmauer von Konstantinopel-Istanbul", Berlin 2007.

Neslihan Asutay, Arne Effenberger:
"Zum Verlauf der Konstantins-Mauer zwischen Marmarameer und Bonoszisterne und zu den Toren", in JÖB 59 (2009), S. 1 - 29.

Neslihan Asutay:
"The Blachernai Palace and its Defense", in CITIES AND CITADELS IN TURKEY FROM THE IRON AGE TO THE SELJUKS 2013, S. 253 - 276.

Nach oben